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Left Bundle Branch Pacing: Fortschrittliche physiologische Herzstimulation für optimale kardiale Resynchronisation

In der modernen Elektrophysiologie hat sich das Left Bundle Branch Pacing (Stimulation des linken Tawara-Schenkels) als bahnbrechende Methode zur physiologischen Herzstimulation etabliert. Diese innovative Technik repräsentiert die kontinuierliche Evolution der kardialen Schrittmachertherapie – weg von der konventionellen rechtsventrikulären Stimulation hin zu physiologischeren Stimulationsformen. Der folgende Artikel beleuchtet die anatomischen Grundlagen, technischen Aspekte, klinischen Vorteile und Zukunftsperspektiven des Left Bundle Branch Pacing als vielversprechende Alternative sowohl zur herkömmlichen Schrittmachertherapie als auch zu anderen physiologischen Stimulationsmethoden.

Die Evolution der physiologischen Herzstimulation

Herkömmliche Schrittmachertechniken und ihre Limitationen

Die traditionelle Schrittmachertherapie basiert auf der rechtsventrikulären Stimulation (Right Ventricular Pacing), bei der die Elektrode typischerweise an der Spitze der rechten Herzkammer oder am rechtsventrikulären Septum platziert wird. Diese Methode umgeht jedoch das natürliche Reizleitungssystem des Herzens und führt zu einer asynchronen Kontraktion der Ventrikel, ähnlich einem Linksschenkelblock (Left Bundle Branch Block – LBBB).

Die langfristigen Nachteile dieser unphysiologischen Stimulation können schwerwiegend sein:

  • Unkoordinierte ventrikuläre Kontraktion
  • Verschlechterung der linksventrikulären Funktion
  • Erhöhtes Risiko für schrittmacherinduzierte Kardiomyopathie (Pacing-Induced Cardiomyopathy – PIC)
  • Gesteigerte Prävalenz von Herzinsuffizienz und Vorhofflimmern
  • Reduzierte Lebensqualität und erhöhte Mortalität

Das Konzept der physiologischen Schrittmachertherapie

Die Erkenntnis dieser Nachteile hat zur Entwicklung physiologischerer Stimulationsmethoden geführt, die darauf abzielen, die natürliche Herzaktivierung nachzuahmen. Das Conduction System Pacing (Reizleitungssystem-Stimulation) nutzt das intrinsische Leitungssystem des Herzens, um eine synchronere ventrikuläre Aktivierung zu erreichen.

Die zwei wichtigsten Ansätze des Conduction System Pacing sind:

  1. His Bundle Pacing (HBP – His-Bündel-Stimulation): Direkte Stimulation des His-Bündels, der einzigen elektrischen Verbindung zwischen Vorhöfen und Ventrikeln.
  2. Left Bundle Branch Pacing (LBBP – Stimulation des linken Tawara-Schenkels): Gezielte Stimulation des linken Schenkels des Reizleitungssystems tief im interventrikulären Septum.

Während das His Bundle Pacing konzeptionell die physiologischste Stimulationsmethode darstellt, wird es durch technische Herausforderungen, höhere Stimulationsschwellen (pacing thresholds) und begrenzte Anwendbarkeit bei Patienten mit Leitungsstörungen im His-Purkinje-System limitiert. Diese Einschränkungen haben zur Entwicklung des Left Bundle Branch Pacing als alternative physiologische Stimulationsmethode geführt.

Anatomische und elektrophysiologische Grundlagen des Left Bundle Branch Pacing

Das linksventrikuläre Leitungssystem

Der linke Tawara-Schenkel (Left Bundle Branch) ist eine direkte Fortsetzung des His-Bündels. Nach dem Durchtritt durch das fibröse Herzskelett teilt sich das His-Bündel in den rechten und linken Schenkel. Der linke Schenkel breitet sich fächerförmig über die endokardiale Oberfläche des linken Ventrikels aus und verzweigt sich weiter in drei wesentliche Faszikel:

  • Den anterioren Faszikel (Left Anterior Fascicle)
  • Den posterioren Faszikel (Left Posterior Fascicle)
  • Den septalen Faszikel (Left Septal Fascicle)

Diese anatomische Anordnung ermöglicht eine rasche elektrische Aktivierung des großen linksventrikulären Myokards. Die zentrale Rolle des linken Schenkels für die koordinierte Kontraktion beider Ventrikel macht ihn zu einem idealen Ziel für die physiologische Herzstimulation.

Die elektrophysiologische Rationale für Left Bundle Branch Pacing

Das Left Bundle Branch Pacing zielt darauf ab, den linken Schenkel direkt zu stimulieren, um eine synchrone Aktivierung des linksventrikulären Myokards zu erreichen. Dies bietet mehrere theoretische und praktische Vorteile:

  1. Physiologische Aktivierungssequenz: Die Stimulation des linken Schenkels führt zu einer nahezu natürlichen Erregungsausbreitung im linken Ventrikel.
  2. Überwindung proximaler Leitungsblockaden: Bei Patienten mit proximalen Blockaden im His-Purkinje-System kann die direkte Stimulation des distalen linken Schenkels diese Blockade umgehen.
  3. Stabile Stimulationsparameter: Im Vergleich zum His Bundle Pacing bietet das Left Bundle Branch Pacing typischerweise niedrigere und stabilere Stimulationsschwellen (capture thresholds).
  4. Technische Durchführbarkeit: Die Implantationsprozedur kann technisch weniger anspruchsvoll sein als das His Bundle Pacing bei gleichzeitig höherer Erfolgsrate.

Implantationstechnik des Left Bundle Branch Pacing

Technische Voraussetzungen

Die erfolgreiche Implantation einer Left Bundle Branch Pacing-Elektrode erfordert spezialisierte Ausrüstung und fundierte Kenntnisse der kardialen Anatomie:

  • Spezialisierte Liefersysteme mit geeigneter Kurve für die septale Navigation
  • Aktiv fixierbare Schraubelektroden mit ausreichender Länge der Helix
  • Hochauflösende Fluoroskopie in verschiedenen Projektionen
  • Programmierbare Stimulations- und Messeinrichtungen
  • Elektrokardiografisches Monitoring mit 12-Kanal-EKG

Schrittweise Implantationsprozedur

Die Implantation einer Left Bundle Branch Pacing-Elektrode folgt einem systematischen Ansatz:

  1. Venöser Zugang: Ähnlich wie bei konventionellen Schrittmachern wird der Zugang über die Vena subclavia oder cephalica geschaffen.
  2. Identifikation des Zielbereichs: Der optimale Zielpunkt liegt typischerweise im mittleren bis apikalen Bereich des rechtsventrikulären Septums, etwa 1-2 cm distal des His-Bündels.
  3. Positionierung der Elektrode: Unter fluoroskopischer Führung wird die Elektrode senkrecht zum interventrikulären Septum positioniert.
  4. Tiefe Penetration in das Septum: Die Schraubelektrode wird tief in das Septum eingedreht, bis sie dem linken Schenkel nahekommt oder diesen erfasst.
  5. Elektrokardiografische Verifizierung: Die korrekte Positionierung wird durch charakteristische EKG-Veränderungen bei der Stimulation bestätigt, insbesondere durch:
    – Linksvektorielle QRS-Morphologie in den Extremitätenableitungen
    – Rechtsvektorielle QRS-Morphologie in V1
    – Deutliche Verkürzung der QRS-Dauer im Vergleich zur rechtsventrikulären Stimulation
  6. Messung der Stimulationsparameter: Bestimmung der Stimulationsschwellen und Impedanzen zur Sicherstellung einer stabilen Elektrodenposition.

Unterscheidung verschiedener Stimulationsmuster

Bei der Left Bundle Branch Pacing können verschiedene Stimulationsmuster beobachtet werden:

  • Selektive linke Schenkelstimulation (Selective Left Bundle Branch Capture): Ausschließliche Stimulation des linken Schenkels, erkennbar an der sehr kurzen Stimulus-zu-QRS-Zeit und schmalem QRS-Komplex.
  • Nicht-selektive linke Schenkelstimulation (Non-Selective Left Bundle Branch Capture): Gleichzeitige Stimulation des linken Schenkels und des umgebenden Septums, erkennbar an einer pseudo-Delta-Welle zu Beginn des QRS-Komplexes.
  • Myokardiale Stimulation (Myocardial Capture): Stimulation ohne Erfassung des linken Schenkels, erkennbar an einem breiteren QRS-Komplex mit rechtsventrikulärer Stimulationsmorphologie.

Die Identifizierung des Stimulationsmusters ist entscheidend für die Optimierung der Programmierung und die langfristige Therapieeffizienz.

Klinische Vorteile des Left Bundle Branch Pacing

Elektrophysiologische Vorteile

Left Bundle Branch Pacing bietet mehrere elektrophysiologische Vorteile gegenüber der konventionellen rechtsventrikulären Stimulation:

  • Schmaler QRS-Komplex: Die direkte Stimulation des spezifischen Leitungssystems führt zu einer schmaleren QRS-Dauer (QRS Duration), was eine synchronere ventrikuläre Aktivierung widerspiegelt.
  • Physiologischere Aktivierungssequenz: Die Erregungsausbreitung über das natürliche Leitungssystem führt zu einer koordinierteren ventrikulären Kontraktion.
  • Verkürzte interventrikuäre und intraventrikuläre Leitungszeiten: Dies verbessert die elektrische Synchronität zwischen und innerhalb der Ventrikel.

Hämodynamische Verbesserungen

Die physiologischere elektrische Aktivierung durch Left Bundle Branch Pacing führt zu messbaren hämodynamischen Vorteilen:

  • Verbesserte linksventrikuläre Ejektionsfraktion (LVEF)
  • Optimiertes Schlagvolumen
  • Reduzierte mitrale Regurgitation
  • Verbesserte diastolische Funktion
  • Günstigere ventrikuläre Umbauprozesse (Cardiac Remodeling)

Klinische Resultate

Wachsende klinische Evidenz deutet auf signifikante Vorteile des Left Bundle Branch Pacing hinsichtlich wichtiger klinischer Endpunkte hin:

  • Reduziertes Risiko für schrittmacherinduzierte Kardiomyopathie
  • Verbesserte Belastungstoleranz und Lebensqualität
  • Geringere Hospitalisierungsraten wegen Herzinsuffizienz
  • Potenziell reduzierte Gesamtmortalität

Anwendung bei speziellen Patientengruppen

Left Bundle Branch Pacing zeigt besonderes Potenzial bei bestimmten Patientengruppen:

  1. Patienten mit hohem ventrikulären Stimulationsbedarf: Bei Patienten mit AV-Block und häufiger ventrikulärer Stimulation kann das Left Bundle Branch Pacing das Risiko einer schrittmacherinduzierten Kardiomyopathie reduzieren.
  2. Patienten mit Links- oder Rechtsschenkelblock: Bei Störungen im Reizleitungssystem kann Left Bundle Branch Pacing die kardiale Synchronität verbessern.
  3. CRT-Kandidaten mit schwieriger koronarer Sinusanatomie: Als Alternative zur konventionellen kardialen Resynchronisationstherapie (Cardiac Resynchronization Therapy, CRT) bei ungünstiger Anatomie für linksventrikuläre Elektrodenplatzierung.
  4. Non-Responder auf konventionelle CRT: Bei Patienten ohne ausreichendes Ansprechen auf die konventionelle CRT kann Left Bundle Branch Pacing eine Therapiealternative darstellen.

Vergleich mit anderen Stimulationsmethoden

Left Bundle Branch Pacing versus konventionelle rechtsventrikuläre Stimulation

Im Vergleich zur herkömmlichen rechtsventrikulären Stimulation bietet Left Bundle Branch Pacing mehrere Vorteile:

  • Schmalerer QRS-Komplex
  • Physiologischere ventrikuläre Aktivierung
  • Bessere hämodynamische Parameter
  • Geringeres Risiko für schrittmacherinduzierte Kardiomyopathie
  • Verbesserte klinische Outcomes

Die Hauptnachteile liegen in der technisch anspruchsvolleren Implantation und der begrenzten Langzeiterfahrung.

Left Bundle Branch Pacing versus His Bundle Pacing

Im Vergleich zum His Bundle Pacing bietet Left Bundle Branch Pacing sowohl Vor- als auch Nachteile:

Vorteile gegenüber His Bundle Pacing:

  • Niedrigere und stabilere Stimulationsschwellen
  • Geringeres Risiko für Stimulus-QRS-Verlängerung über die Zeit
  • Höhere Erfolgsrate bei der Implantation
  • Breitere Anwendbarkeit bei Patienten mit His-Purkinje-Störungen

Nachteile gegenüber His Bundle Pacing:

  • Weniger physiologische Aktivierung des rechten Ventrikels
  • Invasivere Technik mit tieferer septaler Penetration
  • Höheres Risiko für septale Perforation
  • Begrenzter Langzeit-Follow-up-Zeitraum

Left Bundle Branch Pacing versus CRT

Als Alternative zur konventionellen CRT (Cardiac resynchronisation therapy – Kardiale Resynchronisationstherapie) kann Left Bundle Branch Pacing bestimmte Vorteile bieten:

  • Einfachere Implantationstechnik ohne Notwendigkeit einer koronaren Sinuskannulation
  • Physiologischere elektrische Aktivierung
  • Geringeres Risiko für Elektrodendislokation
  • Potenziell höhere Responderrate

Die optimale Patientenselektion für Left Bundle Branch Pacing versus CRT erfordert jedoch weitere Untersuchungen und größere randomisierte Studien.

Technische Herausforderungen und Limitationen

Trotz der vielversprechenden Ergebnisse ist das Left Bundle Branch Pacing mit spezifischen Herausforderungen verbunden:

Technische Implantationsaspekte

  • Lernkurve: Die Implantationstechnik erfordert spezifische Expertise und eine gewisse Lernkurve.
  • Tiefe septale Penetration: Das Risiko einer septalen Perforation oder eines Ventrikelseptumdefekts, obwohl selten, ist höher als bei konventionellen Techniken.
  • Identifikation des optimalen Stimulationsortes: Die elektrokardiografische Bestätigung der korrekten Stimulation kann komplex sein.

Limitationen der Methode

  • Eingeschränkte Langzeiterfahrung: Die langfristige Stabilität und Sicherheit der Methode muss noch durch größere Studien mit längerem Follow-up bestätigt werden.
  • Fehlende randomisierte kontrollierte Studien: Große randomisierte Studien, die Left Bundle Branch Pacing mit anderen Stimulationsmethoden vergleichen, stehen noch aus.
  • Standardisierung der Technik: Es gibt noch keine vollständig standardisierten Kriterien für die optimale Elektrodenplatzierung und Programmierung.

Patientenspezifische Einschränkungen

Nicht alle Patienten sind geeignete Kandidaten für Left Bundle Branch Pacing:

  • Patienten mit ausgedehnten septalen Narben
  • Patienten mit distalen Blockaden im linken Schenkel
  • Patienten mit signifikanter rechtsventrikulärer Dysfunktion
  • Patienten mit komplexen angeborenen Herzfehlern und modifizierter Anatomie

Zukunftsperspektiven und aktuelle Entwicklungen

Technologische Innovationen

Die kontinuierliche technologische Weiterentwicklung verspricht, einige der aktuellen Limitationen zu adressieren:

  • Spezialisierte Elektroden: Optimierte Elektrodendesigns für Left Bundle Branch Pacing mit verbesserter Steuerbarkeit und Fixation.
  • Fortschrittliche Liefersysteme: Innovative Delivery-Systeme zur erleichterten Elektrodenplatzierung und reduzierten Komplikationsraten.
  • Verbesserte Bildgebung: Integration von 3D-Mapping und fortschrittlichen Bildgebungstechniken zur präziseren Identifikation des optimalen Stimulationsortes.

Erweiterung der klinischen Evidenz

Mehrere laufende und geplante Studien werden die klinische Evidenzbasis für Left Bundle Branch Pacing erweitern:

  • Größere multizentrische Registerstudien
  • Randomisierte kontrollierte Studien im Vergleich zu konventioneller Stimulation und CRT
  • Langzeit-Follow-up-Studien zur Beurteilung der Stabilität und Sicherheit
  • Untersuchungen zu spezifischen Patientengruppen und optimaler Patientenselektion

Potenzielle neue Anwendungsbereiche

Basierend auf den physiologischen Vorteilen könnten sich zukünftig neue Indikationen für Left Bundle Branch Pacing entwickeln:

  • Primärprävention der schrittmacherinduzierten Kardiomyopathie: Bei allen Patienten mit erwartetem hohen Stimulationsbedarf.
  • Alternative Strategie für kardiale Resynchronisation: Als primäre Option für bestimmte CRT-Kandidaten.
  • Kombinierte Ansätze: Hybridstrategien mit linksventrikulärer Stimulation oder multisite Pacing für optimierte Resynchronisation.

Left Bundle Branch Pacing: Eine vielversprechende Zukunft für die physiologische Herzstimulation

Das Left Bundle Branch Pacing repräsentiert einen bedeutenden Fortschritt in der Entwicklung physiologischer Stimulationsmethoden und überbrückt die Lücke zwischen konventioneller rechtsventrikulärer Stimulation, His Bundle Pacing und traditioneller CRT. Durch die direkte Stimulation des linken Schenkels bietet diese Technik eine physiologischere Aktivierung des Herzens mit potenziell verbesserten klinischen Outcomes.

Obwohl weitere Forschung und längere Nachbeobachtungszeiträume erforderlich sind, um die langfristige Effektivität und Sicherheit vollständig zu bewerten, deutet die wachsende klinische Evidenz auf signifikante Vorteile gegenüber der konventionellen Schrittmachertherapie hin. Mit kontinuierlichen technologischen Verbesserungen und zunehmender klinischer Expertise hat das Left Bundle Branch Pacing das Potenzial, ein integraler Bestandteil der modernen Schrittmachertherapie zu werden und die Versorgung von Patienten mit bradykarden Rhythmusstörungen und Herzinsuffizienz zu revolutionieren.

Die Zukunft der physiologichen Herzstimulation liegt in der präzisen Anpassung der Stimulationsmethode an die individuellen Patientenbedürfnisse, und Left Bundle Branch Pacing wird dabei zweifellos eine zentrale Rolle spielen.

Hinweis: Dieser Artikel dient ausschließlich Informationszwecken und ersetzt nicht die ärztliche Beratung. Für spezifische medizinische Fragen zur Herzschrittmachertherapie und Left Bundle Branch Pacing konsultieren Sie bitte einen Facharzt für Kardiologie.